Home > Allgemein > Vollgeld, Jobgarantieprogramm und Staatstheorie des Geldes

Vom 16. bis zum 18.11. haben Ferdinand Wenzlaff und Anne Löscher an der Tagung 10 Jahre nach der Weltfinanzkrise: New Economic Thinking – Beginn einer Transformation der Wirtschaftswissenschaft und –politik in Hamburg teilgenommen. Die Tagung wurde von dem Zentrum für Ökonomische und Soziologische Studien (ZÖSS), dem Arbeitskreis Politische Ökonomie und dem deutschen Ableger der World Economics Association (WEA) ausgerichtet. Hier folgt nun der zweite Teil des Konferenzprotolls.

In weiteren Sessions wurde sich mit ökonomischen Reformideen auseinandergesetzt. So hat z.B. Enrico Schicketanz von der Uni Erfurt eine polit-ökonimische Analyse der Vollgeldreformdiskussion in Island vorgenommen. Diese folte aus dem Zusammenbruch des isländischen Bankensystems in 2008 und wurde maßgeblich von 2012 bis 2016 vorangetrieben, scheiterte jedoch im Parlament. Stattdessen schlug ein ExpertInnengremuim vor, die Zentralbank und Finanzaufsicht zusammenzulegen, und das Ziel der Finanzstabilität über die Zielvorgabe der Preisstabilität zu setzen. Während ersterer Vorschlag umgesetzt wurde, wurde letzterer es nicht.

Oliver Picek vom European Trade Union Institute hat hingegen einen fiskalpolitischen Vorstoß zur Diskussion gestellt. In Österreich hat die sozialdemokratische Vorgängerregierung das Pilotprojekt einer Jobgarantie für Österreichs Langzeitarbeitslose gestartet. In der sogenannten „Aktion 20.000“ sollten über 50jährige Langzeitlose in öffentlich geförderten Stellen Arbeit finden. Durch einen Passiv-Aktiv-Transfer würden diese Stellen nur zu 50% zusätzliche Finanzierung erfordern, da die andere Hälfte des Lohns durch die von vormals gezahlten Sozialleistungen gedeckt würde.Für verschiedene Szenarien (Anzahl der Gehälter und Höhe des Mindestlohnes) hat Herr Picek bererchnet, dass solch ein Jobgarantieprogramm zwischen 300 und 600 Euro pro Job kosten würde. Das entspricht  zwischen 0,17% und 0,36% des BIPs für ein Programm für 150.000 Arbeitsplätze.

Solche Jobgarantieprogramme sind auch von der sogenannten Modern Money Theory (MMT) insbesondere in Amerika populär gemacht worden. Diese bezieht sich untere anderem auf den Ökonomen Georg Knapp, der Anfang des letzten Jahrhunderts die sogenannte Staatstheorie des Geldes entworfen hat. Dr. Dirk Ehnts von der Samuel Puffendorf Gesellschaft widmete sich Georg Knapps Werk in seinem Beitrag. Die Staatstheorie hatte insbesondere in den 1930er und 1940er Jahren Konjunktur, ist aber heute fast in Vergessenheit geraten, laut Ehnts. Laut Knapp besteht die einzige Deckung modernen (chartalen) Geldes darin, das es zum begleichen von Steuern akzeptiert wird. Knapp hatte sowohl auf Georg Simmel als auch John M. Keynes enormen Einfluss. Ehnts nimmt Kanada als Beispiel, um die Möglichkeit einer Direktfinanzierung ins Feld zu führen. Insbesondere in den Jahren 1948 bis 1975 hat die kanadische Zentralbank zwischen 17 und 25% des Staatshaushaltes direkt finanziert, indem sie kanadische Staatsanleihen unverzinst in  ihr Depot aufgenommen hat. Auch heute noch ist die Zentralbank dazu verpflichtet, Staatsanleihen mit einer Laufzeit von weniger als sechs Monaten aufzukaufen. Die direkte Staatsfinanzierung setzt jedoch einen gewissen Autonomiegrad des Staates voraus.Wenn Länder auf Devisen und damit auf Fremdverschuldung angewiesen sind, hat die MMT nur bedingt Relevanz.

Anne Löscher